Leuners
»fortlaufende Anmerkungen« Nr. III
2004 - Seite 6
Nachgefragt
Hamburg
Das Internationale Haus der Photographie
Der Ehrgeiz
treibt voran. Das ist sicherlich ein gutes Zeichen. Ein spezifisch
hamburgisches Problem zeigt sich jedoch im Gemisch von kulturell interes-
sierten Handwerks-Fotografen und den intellektuellen Standards der bildenden
Kunst. Da kommt es manchmal sehr naiv daher, wenn, wie im Symposium (!)
über »Farbe in der Fotografie«, die derzeitigen Standards
der Magazin-Foto-
grafie als künstlerische Positionen vorgestellt werden, launig über
das Thema,
»wir sind alle einmal schwarz-weiß gewesen« fabuliert
wird (Ulf Erdmann
Ziegler) und man sich nach dem »Streitgespräch« (worüber?)
bei der »Grillparty«
auf dem Deichtorplatz trifft. Das klingt alles sehr nach einem Abendprogramm
für die lauen mediterranen Nächten des Festivals von Arles.
Berlin
»Von Körpern und anderen Dingen«
- Die äußeren
Daten sind unglücklich. Das Deutsche Historische Museum gibt
das Genre vor: Deutsch und Kunstgewerbe. Der Kurator beschränkt sich
noch
selbst: inszenierte Fotografie zum Thema »Körper« im Zeitraum
von 1920 bis
zur Gegenwart. Das hätte eine interessante Ausstellung ergeben können,
die
aber einen hohen Rechercheeinsatz erfordert hätte. Das Thema ist immens,
geht es doch durch viele Genres: Mode, Sport, Porträt, Akt und Wissenschaft.
Und was macht der Kurtor Klaus Honnef damit? Die Begriffe werden aufge-
weicht: Aus Körper wird mit dem Zusatz »und andere Dinge«
alles, was man
fotografieren kann. Der Begriff »inszeniert« wird nur gegen
die journalistische
Fotografie in Stellung gebracht. Fotokünstler sind die, die nicht
journalistisch
arbeiten und sich als Kunstautoren definieren. Und wer ist das: Die von
Klaus
Honnef und einem Teil der Deutschen Fotografieszene entwickelte »autono-
me deutsche fotografische Kunst«. Die Namensliste ist vorgegeben
und wird
nur im Zeitgenössischen variiert. Also: Blossfeld, Sander, Renger-Patsch;
Riefenstahl, List und Subjektive Fotografie; Becher, Blume, Sieverding
- und
dann wird?s immer diffuser: Martens, Schmitz, Mayers u. a. Dieser Kanon
wird
seit den 70er Jahren von den Anhängern einer autonomen Entwicklung
der
Fotokunst in den unterschiedlichsten Variationen propagiert. Mal heißt
die
Ausstellung »die Macht der Bilder«, mal wird wie hier das Material
im Sinne
von »Ding« vorgestellt. Dahinter steht die Lobby der deutschen
fotografischen
Sammlungen, die sich auf die Sicht von Otto Steinert beruft. Es wird von
einem deutschen Sonderweg ausgegangen, dessen Entwicklung sich
über das Ästhetische formuliert. Zum Beispiel:
SK Sammlung Köln (www.sk-kultur.de)
Fotografische Sammlung Essen (www.museum-folkwang.de)
Berlinische Galerie (www.berlinischegalerie.de)
Auch die meisten Auktionen über klassische Fotografie werden durch
diesen Kanon bestimmt.
Bassenge (www.bassenge.com),
Dietrich Schneider-Henn (www.schneider-henn.de)
u.a.
Die erbitterte Kritik, die dieser Ausstellung von Klaus Honnef entgegen
schlug,
beruhte in erster Linie darauf, dass sich der Titel der Ausstellung in
keiner
Weise mit dem hinlänglich bekannten Inhalt deckt. Aber es zeigt sich
auch
deutlich, dass die Position einer autonomen deutschen Fotokunst heute nicht
mehr widerspruchslos hingenommen wird und bei der jüngeren Generation
auf
schlichtes Unverständnis stößt.
Natürlich bleibt die Frage, warum ein so erfahrener Ausstellungsmacher
und
Fotokritiker wie Klaus Honnef sich so ins Abseits manövriert. Dies
ist schwer
verständlich, weil er einer der ganz wenigen Fachleute für Fotografie
ist, die
sich lange Jahre intensiv mit der zeitgenössischen bildenden Kunst
ausein-
ander gesetzt haben. Eine Qualifikation, die den meisten Fotohistorikern
und
Kritikern abgeht. Eine Erklärung kann hier nur angedeutet werden.
Die wie
Klaus Honnef gebildeten Fotokritiker der frühen 68er-Generation beziehen
ihre
theoretische Grundlage immer noch aus der deutschen Sicht auf die Fotogra-
fie, die die Deutsche Fotografie des 20. Jahrhunderts als Handwerkskunst
wahrnimmt - nicht zu unrecht, die anderen hatte eben keine Chance. Nach
dieser Lesart gibt es keine Fotografen, die Künstler sind. Wenn sie
im Rah-
men des Mediums bleiben, sind sie zum Kunstgewerbe verdammt. Künstler,
die mit Fotografie arbeiten, machen Kunst, auch wenn ihnen die medialen
Kenntnisse fehlen. Der Stand der Diskussion Ende der 70er Jahre ist ausführ-
lich nachzulesen in: »Photographie als Medium. 10 Thesen zur konventionell-
en und konzeptionellen Photographie« von Rolf H. Krauss
(Verlag A. Nagel, 1. Auflage 1979, ISBN 3-89322-707-5).
weiter