Leuners
»fortlaufende Anmerkungen« Nr. III
2004 - Seite 7
Deutlich wird
hier, dass für gebildete Zeitgenossen die deutsche handwerklich
orientierte Fotografie in einem bedrückenden Maße bildungsignorant
war (und
teilweise noch ist). Man muss nur die Äußerungen von Renger-Patsch
lesen,
um dies nachvollziehen zu können. Intelligente und in der Zeit stehende
Foto-
grafen des späten 20. Jahrhunderts wurden daher zu »konzeptionellen
Künst-
lern, die mit Fotografie arbeiten«, umgepolt - wie das Ehepaar Becher.
So wird auch erklärlich, warum »journalistische Fotografie«
bei Klaus Honnef
keine Kunst ist, aber jede Inszenierung zur Kunst wird, auch wenn die Arrang-
ements nacktes Kunstgewerbe sind. Zum Beispiel die Exponate einer Frau
Schmitz. Der Umbruch der 80er Jahren hat dieser mehr auf Beobachtung als
auf Analysen beruhenden Theorie den Boden entzogen.
Siehe zu dem Umbruch: Esther Ruelfs, »Werkstatt Wirklichkeit. Stipendiaten
aus zwanzig Jahren - Zeitgenössische Deutsche Fotografie- «,
in: Katalog
über die Stipendiaten der Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, Museum
Folkwang, Steidl Verlag 2003 (ISBN 3-88243-880-0).
Dies ist aber nicht Allgemeingut. Vielmehr greifen gerade Ausstellungsmacher
und Kuratoren, die die Modernität des Mediums abstreiten, auf diesen
Ansatz
in neuen Variationen zurück. Aktuelles Beispiel: Maria de Corral (Jahrgang
1942) hat innerhalb von zwei Jahren mit erheblichen Mitteln die Sammlung
»Colección de Fotografía Contemporánea de Telefónica«
aufgebaut, die das
kulturelle Aushängeschild der spanischen Telefongesellschaft für
ihre inter-
nationalen Aktivitäten sein soll. De Corral: »Die Sammlung von
Telefónica kon-
zentriert sich daher weniger auf Fotos als auf Künstler, die die Fotografie
benutzen, jedoch nicht als dokumentarisches oder narratives Medium, son-
dern als Medium, um ein autonomes Bild oder einen autonomen Ausdruck
zu schaffen.« Entscheidendes Kriterium sei dabei, dass »die
Fotografien phy-
sische Präsenz für den Betrachter haben«? sprich: ab einem
Format von
1m x 1m. Interview mit Claudia Stein in: Photonews Nr. 2/04
www.fundacion.telefonica.com/arte
Dabei sind einer der Schwerpunkte der Sammlung die Aufnahmen
des Ehepaars Becher und seiner Schüler. Gerade die haben aber der
Dokumentarfotografie als künstlerische Sprache zum Durchbruch verholfen.
Und gerade die Abzüge der Bechers liegen unter dem Format von 1m x
1m.
Zu deutlich mäandern diese gebildeten Protagonisten mit ihren Theorien,
um
dann nur ihre »Lieblinge« einzusammeln.
Nachgefragt
Berlin
Das Deutsche
Historische Museum hatte 1992 unter dem ehemaligen Leiter
des Münchener Stadtmuseums Stölzl einen furiosen Start hingelegt.
Seine in
München gesammelten profunden Kenntnisse über Fotografie kamen
ihm da-
bei zugute. Mit einem Schlag wurde nicht nur intelligente Fotografie in
den
normalen Ausstellungen gezeigt, sondern eine eigene Galerie nur mit Foto-
grafie - auch mit zeitgenössischen Fotografen - bespielt. Monika Flacke
war
damals dafür zuständig. Diese besondere Wertschätzung der
Fotografie ist
verschwunden, die Ausstellung »Von Körpern und anderen Dingen«
war eine
Wanderausstellung und Episode. Es wird »Das XX. Jahrhundert. Fotografien
zur Deutschen Geschichte 1880-1990« aus der Sammlung des Deutschen
Historischen Museums gespielt. Der Kurator ist Dieter Vorsteher. Da wird
alles, was das Archiv an Fotografie hergibt, in einen historischen »Bilder-
bogen« verwurstet. Ob Kunstfotograf oder Knipser, Fundstücke
oder Profis,
Hauptsache, das Motiv stimmt. Mit Recht wurde diese Ausstellung als ein
Rückfall in eine Zeit attackiert, in der man der Meinung war, Fotos
würden
durch Maschinen gemacht, der Mensch drücke nur auf den Auslöser.
München
Die Siemenssammlung