Leuners
»fortlaufende Anmerkungen« Nr. III
2004 - Seite 5
Nachgefragt
Museum Ludwig
Die Konfrontation
im Kölner Milieu gegen moderne Kunstfotografie hat den
Kurator Weski nach München flüchten lassen. Ein Todesopfer gab
es zu
beklagen, der kaltgestellte Mitkurator Reinhold Misselbeck starb an Herzver-
sagen. Aber seine Witwe, Inge Misselbeck, war rächend zur Stelle und
hielt
die Fahne hoch für: das neue kulturelle Feigenblatt der Fotokina,
die Kunst-
fotomesse photofaircologne, natürlich zusammen mit dem greisen L.
Fritz
Gruber, dessen Sammlung schon Reinhold Misselbeck im Museum Ludwig
betreut hatte. Ja, so könnte ein Märchen enden, eine Oper beginnen,
aber
leider hebt sich hier nur der Vorhang für ein neues Stück des
Kölner
Fotoklüngels.
Hamburg
Internationales Haus der Fotografie
In »A
Clear Vision« beherzigt die Sammlung Gundlach den Grundsatz, dass
die qualitativ besten Arbeiten entstehen, wenn die Künstler kurz vor
ihrem
Durchbruch sind. Der Ehrgeiz ist brennend, die ersten Erfahrungen sind
da,
alle Kräfte sind gesammelt. Diese Arbeiten in meist kleineren Formaten
sind
zwar nicht so »repräsentabel« wie spätere Arbeiten,
die sich mehr an der
Verkaufbarkeit orientieren, haben aber die Unmittelbarkeit des Neuen und
Gewagten an sich. Otto Steinert mit sehr unbekannten Porträts aus
den Jah-
ren 1949 und 1952; Diane Arbus mit Abzügen von Anfang der 60er Jahre
-
ganz modern wurden die Barytabzüge frei zur Welligkeit des Materials
ste-
hend in einem tiefen Rahmen präsentiert; Fischli und Weiß von
1985 in
Schwarz-Weiß; der Maler Albert Oehlen mit Stoppschildern; der amerika-
nische Modefotograf Erwin Blumenfeld mit Zeichnungen aus den 20er und
Porträts aus den 30er Jahren - die Liste ließe sich mühelos
weiter fortsetzen.
Hier ist die Handschrift eines Sammlers zu erkennen, der als Modefotograf
und - das ist deutlich sichtbar - als Schwuler ohne Eitelkeiten gesammelt
hat.
Dieser eindrucksvolle und berührende Teil der Sammlung wird leider
von ei-
nem großen Konvolut von Bildern beeinträchtigt, bei dem der
Sammlerehrgeiz
erkennbar wird, das Lexikon für zeitgenössische Fotografie zu
bebildern. Da
hängt dann eben auch zweite Wahl: Cindy Sherman in Farbe von 1994,
neue
Fischli und Weiß im Großformat, ein verwaschener Tillmans aus
dem Jahre
2000, Rineke Dijkstra von 1999, glatte Michael Najars u. a. Das ist schade.
Zurück findet die Sammlung aber auf ihrem authentischen Weg bei der
ost-
europäischen Fotografie, zu der, auch wenn das heftig bestritten wird,
die
realistische Fotografie der ehemaligen DDR gehört. Ob Evelyn Richter,
Gun-
dula Schulze oder Antanas Sutkus - hier ist mit der naiven Seele des Foto-
grafen gesammelt worden, mit der Intimität des Wissens, wie Bilder
durch die
Kamera empfunden werden. Bleibt nur anzumerken, dass die Hängung von
Zedenik Felix frei mit den unterschiedlichen Positionen der Fotografie
umgeht,
aber nicht wie bei Honnef in Berlin ein »Bildermatsch« entsteht.
Und doch
scheint über dieser Ausstellung der Hauch des Angestrengten zu liegen.
Zu deutlich geht es darum, die Sammlungslücke in der Fotografie für
Ham-
burg - und natürlich auch für Deutschland - zu füllen.
Anmerkung: