gedimmt?

      »Selbstgespräch« heißt der Titel einer Ausstellung in der »Pinakothek der
      Moderne«, München, mit der holländischen Fotografin Rineke Dijkstra, der
      Australierin Tracy Moffatt und der Engländerin Taylor-Wood.

      Sie bildet den Auftakt zu dem Ausstellungszyklus »Temporär« und ist die
      erste Präsentation der neuen Kustodin für Fotografie, Inka Graeve Ingelmann.
      Der Titel »Selbstgespräch« scheint programmatisch. Tatsächlich reden die
      Bilder von Dijkstra, Moffatt und Taylor-Wood nicht miteinander, sie reden aber
      auch nicht mit den Betrachtern. Die Arrangements der Bilder, die aus den
      Beständen der Sammlung und aus Privatbesitz stammen, lässt merkwürdig
      kalt. Diese Premiere wird den hochgeschraubten Erwartungen an die im
      letzten Herbst mit großem Getöse eröffnete Pinakothek der Moderne nicht
      gerecht. Das kann nicht an den künstlerischen Positionen der drei derzeit
      erfolgreichsten Fotografinnen der mittleren Generation liegen. Vordergründig
      hat das sicherlich mit dem Ausstellungsraum in Souterrain des Braunfeld-Baues
      zu tun. Außer den zwei Eingängen dringt kein natürliches Licht ein, die Decke
      ist proportional zu niedrig und mit der blass gelben Beleuchtung kommt Keller-
      gefühl auf. Farbfotografien vertragen kein gedimmtes Licht.

      Von Rineke Dijkstra sind fünf kleine Arbeiten aus den 90er Jahren zu sehen,
      die Bekannten Jugendlichen am Strand mit Großformat-Kamera und Frontalblitzt.
      Es sind frühe Abzüge, sammlerisch wertvoll, aber mehr für ein Kabinett geeignet.
      Die vier großformatigen Bildzusammenstellungen von SamTaylor-Wood, die
      schöne Menschen in schönen Ängsten vorführt, füllen nacheinander die Wand,
      können sich aber nicht an Gegenposition reiben. Die frühen, autobiografisch
      geprägten Bildgeschichten von Tracey Moffat wirken auf Grund ihrer geringen
      Größe und den überwiegend schwarz/weißen Abzügen karg, wie aus einem
      dokumentarischen Ethnofilm mit Laiendarstellern. »Wer bin ich, wer bin ich
      zwischen den anderen« war die kuratorische Fragstellung von Inka Graeve
      Ingelmann. Es soll also um den Verlust eines verlässlichen Menschenbildes
      gehen. Diese Annahme ist »irgendwie« richtig und seit Cindy Shermans
      facettenartigen Selbstportraits auch kuratorisch korrekt.

      Nur: Hat diese introvertierte Fragestellung etwas mit den drei ausgewählten
      Fotografinnen zu tun?

      Rineke Dijkstra steht für expressive Bilder aus expressiven Situationen :
      die Toreros nach dem Stierkampf, die Mütter direkt nach der Geburt. Oder die
      Selbstdarstellerin Tracey Moffatt, die atemlos kunstschaffend zu ihrer
      Aboriginalherkunft Bilder halluziniert. Und »cool« Sam Taylor-Wood : die
      Arroganz klassebewussten Reichtums in Altarbildformat. Diese Positionen
      erfordern Licht. Hier ist keine Frauengeneration, die mühsam ihre Identität
      zusammenklaubt, sondern eine, die gewohnt ist, die eroberten Plätze zu be-
      spielen. Dies spiegelt die Kuratorin auch in ihrer Person wieder. In einem Inter-
      view zu ihrer Ernennung für die Pinakothek der Moderne bemerkte Inka Graeve
      Ingelmann. »Eigentlich bin ich Kunsthistorikerin und froh hier, und nicht in einem
      Fotomuseum gelandet zu sein.« Auch Ihre Promotion über den Bauhauslehrer
      und Fotografen Walter A. Peterhans, der in Chicago und nach dem Krieg in
      Hamburg wirkte, bestätigt ihre Sozialisation in der engen Fotohistorikerzunft. Die
      Fotogeschichte dringt in die Kunstwissenschaften ein, diese Umwälzung gibt
      Raum. Noch gibt es keine verbindlichen Vorgaben. Die Themen sind offen; die
      Auswahl, die Art der Hängung, die Nutzung andere Medien. Es gilt daher: die
      Möglichkeiten der Pinakothek der Moderne auch wirklich zu nutzen.

          Temporär: 01.02 -30.03.2003

          www.pinakothek-der-moderne.de

          © Thomas Leuner, März 2003

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