Zur politischen Semantik der
      Medien- und Kommunikationstheorie
      im 20. und 21. Jahrhundert

      Veranstaltet vom Kulturwissenschaftlichen
      Forschungskolleg »Medien und kulturelle
      Kommunikation« SFB/FK 427, Köln
      03.07.2003-05.07.2003, Universität zu Köln,
      Hauptgebäude, Hörsaal XVIII

    Die Medien- und Kommunikationstheorien des 20. Jahrhunderts entstanden
    trotz Beteuerung technischer oder anthropologischer Neutralität stets im
    Spannungsfeld zwischen sozialen Modellen und politischen Anwendun-
    gen. Damit sind es Theorien dessen, was eine Gesellschaft im Innersten
    oder durch äußeren Zwang zusammenhält, also auch Theorien einer To-
    talität oder Homöostase des Gesamtsystems. Und immer wieder ging es
    um die Möglichkeit, Freund von Feind zu unterscheiden, sei es durch die
    semantische Kopplung von Propaganda-Analyse und Gegenpropaganda,
    sei es durch den zeitlichen Vorsprung der Geheimkommunikation vor ihrer
    feindlichen Dechiffrierung. Erst aus der Kombination beider Modelle ist die
    Universalisierung des Kommunikationsbegriffs gegen Ende des Zweiten
    Weltkriegs entstanden.
      Die politische Semantik dieser Theorien hat ihren Niederschlag im
    gesamten terminologischen Erbe des 20. Jahrhunderts gefunden. Schaut
    man genauer, fällt auf, dass die theoretischen Entwürfe der Solidarität
    sowie der Feindschaft von dem Dritten der Unterscheidung von Freund
    und Feind immer wieder heimgesucht werden: dem Beobachter, dem Ver-
    rat, der unerwünschten Dechiffrierung, der entstörten oder irreparablen
    Störung, dem Double Bind, dem Wechsel zwischen Krieg und Frieden, dem
    Parasiten und dem »parasitic use«. In gewissen terminologischen Prägun-
    gen gelangt dieses Dritte sogar zu einer Apotheose. Dies zeigt sich auch
    an den Protagonisten der Kommunikations- und Medientheorien: Die Figu-
    ren des Seitenwechsels sind in der Überzahl. Es waren wissenschaftli-
    che oder politische Dissidenten, Überläufer und Emigranten, etwa in den
    deutsch-amerikanischen Spiegelungen der Kommunikationstheorie im 20.
    Jahrhundert zwischen Propagandaforschung und Systemtheorie, empiri-
    scher Sozialforschung und Frankfurter Schule. Es waren die "Displaced
    Person" und der "Friendly Enemy Alien", also Personen, die jedes Null-
    summenspiel unterliefen.
      Margret Boveri hat zu Beginn des Kalten Krieges den Vorschlag
    gemacht, das wichtigste ideologische Moment des 20. Jahrhunderts auch
    für demokratische Gesellschaften oder avantgardistische Bewegungen
    in der Figur des ðVerratsÐ zu fassen. Dies greift die Tagung auf, indem
    sie nach den persönlichen und kollektiven Attributionen von Freund und
    Feind, die einen Seitenwechsel oder ein falsches ðFraternisierenÐ zum
    Verrat werden lassen, fragt. Erweisen sich doch die Medien- und Kom-
    munikationstheorien des 20. Jahrhunderts im Rückblick von der Figur des
    Verrats derart geprägt, dass die Frage zu stellen ist, wie das 21. Jahr-
    hundert auf diesen Hintergrund der Medientheorie reagiert. Behält die Un-
    terscheidung von Freund, Feind & Verrat ihre Wirkung auf aktuelle Ent-
    würfe der Medientheorie ­ etwa in den abermaligen Vorwürfen, die Mas-
    senmedien (wie vormals die Demokratie) unterliefen jede Unterscheidung
    freundlicher und feindlicher Nachrichten, oder sie dienten vor allem (wie
    vormals die Propaganda) zu undurchschaubar verdeckten Operationen
    und Adressierungen? Oder zerfällt das terminologische Erbe des 20. Jahr-
    hunderts in der Medientheorie zunehmend in seine Einzelteile - denen da-
    mit auch der zweischneidige politische Impetus der Charakterisierung
    einer ðtotalen sozialen SituationÐ fehlen würde?

        Die Vorträge

      Cornelia Epping-Jäger: Propaganda
      Albert Kümmel: War of the Worlds Revisited
      Axel Roch: Sehende Oberflächen. Der Blick im Zwischen
      von Freund und Feind
      Eva Horn: War Games. Das Wissen vom Feind im Kalten Krieg
      Claus Pias: Der Vietkong. Rechnen als Gestalt
      Thomas Schestag: "[...] und eigentlich noch viel jünger."
      Kafkas Jargon
      Thomas Hauschild: Sleepers
      Urs Stäheli: Der Verrat des Kapitalismus
      Ralf Klamma: Vertrauensmodellierung
      Matthias Krings: Osama bin Laden vs. George W. Bush in
      Nigeria. Zur lokalen Perzeption globaler Ereignisse

    Kontakt: Gabriele Schabacher SFB/FK 427 »Medien und kulturelle Kommu-
    nikation« Bernhard-Feilchenfeld-Str. 121 50969 Köln Tel. 0221/470-6770
    Fax: 0221/470-6773 E-Mail: fk-427@uni-koeln.de

      http://www.uni-koeln.de/inter-fak/fk-427